Neue Ära: “Überlasst die Drecksarbeit den Kreativen”?! (Anfälle³)

Seit Jahren rede ich mir den Mund fusselig und mache darauf aufmerksam, dass Kreative viele Potenziale haben und sich super in diversen Teams eignen würden! Dabei betone ich immer, dass ihre größte Stärke darin liegt, ergebnisoffen zu arbeiten und kreative Lösungen für komplexe “Problemstellungen” zu finden. Interessiert haben sich dafür immer nur wenige.

Während aber nun eine Krise die Nächste jagt und die Corona-Pandemie eine Art Feuerprobe darstellte, scheint die Kompetenz von Kreativen in bestimmte Kreise gesickert zu sein. Plötzlich sind Kreative und Künstler keine verträumten Chaoten mehr, sondern “resilient” und “krisenfest”. Wie Kliemann so schön sagte “Krise kann auch geil sein!”. (* ausdrücklicher Zynismus!)

Und natürlich ist das in einer Welt, in der immer mehr Krisen auf uns zukommen eine bemerkenswerte Eigenschaft, die die Wirtschaft sich gern zu Nutzen machen würde.

Also los: holt die Kreativen ins Boot, denn die können “komplexe Probleme” spielerisch lösen! Übersetzt bedeutet dies: Unsere Verzweiflung ist aktuell so groß, dass uns alle Mittel recht sind, um unseren Profit zu retten… zur Not arbeiten wir halt eben auch mit verzottelten Spinnern aka Künstlern zusammen. Überlasst diesen Kreativen die Drecksarbeit!

An dieser Stelle möchte ich solchen Denkern nun den Zahn ziehen: Wir “kreativen Spinner” sind weder die Feuerwehr noch Zauberer. Ja, wir sind ergebnisoffenes Arbeiten gewohnt, wir sind Meister darin, Antworten auf Fragen zu finden, die die Menschheit sich noch gar nicht gestellt hat, das und noch viel mehr macht uns vermutlich resilient. Wir sind frei in unserem Denken und gut darin, Komplexität mehrschichtig zu betrachten und kreative Lösungswege zu finden. Es wurden uns schließlich lange genug Hürden in den Weg geschmissen.

Doch jetzt das große ABER: diese Kompetenz braucht ein entsprechendes Umfeld, eine Art kollektive Denkbasis. Kreative lassen sich nicht wie ein Dominostein beliebig in ein bestehendes, festgefahrenes Muster stecken. Das Letzte was wir sind und sein möchten ist ein Rädchen im System.

Also fragt euch an dieser Stelle nicht, wo ihr den nächsten Kreativen aufgabeln könnt, der eure Probleme löst, sondern fragt euch, ob ihr über die nötige Bereitschaft für einen Wandel und Paradigmenwechsel besitzt. Und dann können wir anfangen, über potenzielle Synergien zu sprechen…


Danke für’s Lesen! Das ist meine neue Kolumne und Rant-Ecke: Anfälle³. Hier lasse ich meinem Unmut über gesellschaftlichen Irrsinn freien Lauf. Stets mit einem zynischen Lächeln auf den Lippen.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert