Kultursymposium Weimar 2023

Vor ein paar Tagen blättern wir durch das Amtsblatt der Stadt Weimar und auf der letzten Seite lacht sie uns an, die blaue halbseitige Anzeige vom Goethe-Institut, welche das diesjährige Kultursymposium Weimar bewirbt. Zwei Tage lang soll “eine Frage des Vertrauens” (a matter of trust) diskutiert werden.
Es soll ein internationales Festival des Goethe-Instituts für neue Netzwerke und Ideen werden.

“Cool” denken wir. Da müssen wir doch mal hingucken. Als freie Künstler in der Thüringer Kulturlandschaft lassen wir uns so ein Event nicht entgehen.
Wir schauen im Netz nach dem Programm. Das Festival besteht sowohl aus kostenlosen als auch kostenpflichtigen Veranstaltungen. Die Eröffnung in der Weimarhalle ist offen für alle.
Fahren wir einfach mal hin und entscheiden dann, ob wir uns für die nächsten zwei Tage ein Festivalbatch für 40 € besorgen.

Am Eröffnungsabend betreten wir die Weimarhalle und nehmen in den hinteren Reihen Platz. Schnell fällt auf, die Veranstaltung ist nicht so gut besucht wie von uns vermutet. Die oberen Ränge sind komplett leer. Auch im Parkett sind längst nicht alle Stühle belegt.
Herrscht so wenig Interesse an einem Kultursymposium oder wurde einfach zu wenig Werbung gemacht?

Durch das Programm führt uns eine junge Moderatorin.
Es scheint keine Presse anwesend. Ein Kameraduo begleitet die Veranstaltung videografisch.
Die Veranstaltung beginnt auf Deutsch und switcht später ins Englische, denn es wurden viele internationale Partner/Mitarbeiter des Goethe-Instituts geladen. Es gibt Kopfhörer, mit dessen Hilfe die Fremdsprachler den deutschen Passagen folgen können. Irgendwie setzen sich in diesem Saal extrem viele die Kopfhörer auf.
Zunächst werden mehrere Eröffnungsreden gehalten. Es spricht die Präsidentin des Goethe-Instituts, der Thüringer Minister für Kultur-, Bundes- und Europaangelegenheiten und die Staatsministerin des Auswärtigen Amtes.
Danach folgt eine Performance des französischen Künstlers Yoann Bourgeois, welcher an diesem Tag das Highlight darstellt.

Den Abschluss der Veranstaltung macht eine moderierte Diskussionsrunde mit vier verschiedenen Akteuren, welche das Thema “Vertrauen” aus unterschiedlichen Perspektiven beleuchten. Die Moderatorin wirkt überfordert und schlecht vorbereitet. Die Diskussionsrunde wird als Werbung für die vertiefenden Sessions der nächsten zwei Tage genutzt.
Das Publikum bekommt ein einziges Mal die Möglichkeit, eine Frage zu stellen. Eine einzelne Frage aus den ersten Reihen wird kurz abgehandelt. Kurz darauf wird die Veranstaltung für beendet erklärt und organisatorische Details genannt.

Für eine Veranstaltung, die Netzwerke und neue Ideen verspricht, ständig über die Gesellschaft, Demokratie und Kultur spricht, drängt sich das merkwürdige Gefühl auf, dass kaum Raum für genau dieses Netzwerken gegeben ist. Immer wieder verlassen Besucher während des Openings den Saal. Am Ende wird darauf hingewiesen, dass die Veranstaltung nun an einem anderen Ort weitergeführt wird. Fluchtartig lichtet sich der Raum und sich bekannte Menschen bilden Grüppchen. Fast alle Anwesenden sprechen entweder eine andere Sprache und/oder tragen ein Speaker-Batch. Außer uns zwei “externen” Besucher entdecken wir auf die Schnelle keine weiteren. Es liegt die Vermutung nah, dass alle Gäste in diesem Saal irgendwie direkt mit dem Goethe-Institut in Verbindung stehen und niemand aus der Zivilbevölkerung anwesend ist. Besonders bedrückend ist das Gefühl, dass kein einziger Weimarer Kulturtreibender anwesend zu sein scheint. Ist ein Kultursymposium kein geeigneter Ort für lokale Akteure aus Kunst und Kultur?

Am Rande erfahren wir, dass dieses Symposium in der Form alle zwei Jahre stattfindet. Interessant, wir haben davon zum allerersten Mal erfahren, obwohl wir zur Weimarer Kulturlandschaft gehören.
Na ja, vielleicht ist auf der Folgeveranstaltung mehr Raum fürs Netzwerken, denken wir uns.
Wir schlendern also hinter der Traube von Menschen hinterher, denen via Luftballon der Weg gewiesen wird.
Im E-Werk angekommen, zeigt sich “Aftershow” Stimmung. Es laufen Kellner mit Sekt umher. Die Bar ist gut besucht. Viele stehen am “Catering” an. Gruppen haben sich zusammengefunden und unterhalten sich rege. Wir laufen zwei Ründchen über den Platz und fühlen uns irgendwie verloren zwischen all den Menschen, die sich zu kennen scheinen. Wo ist hier Platz zum Netzwerken? Warum wird die Bevölkerung nicht aktiv miteinbezogen, wenn es doch um zivilgesellschaftliche Themen wie Vertrauen geht? Nach wie vor haben wir das Gefühl, die einzigen zwei “Externen” zu sein.

Wie sieht es mit der “Kultur” aus?
Es gibt ein paar Spiele, eine Filmvorführung und einen DJ, der in einem alten Eisenbahnwaggon für die musikalische Untermalung sorgt. Ein bisschen mau für ein Kultursymposium in so einer vielfältigen Stadt voller bunter Akteure.
Insgesamt dominiert das Gefühl, dass dies hier eine Insiderveranstaltung des Goethe-Instituts ist, bei dem sich die Akteure untereinander vernetzen. Warum wird das Ganze aber dann für die breite Masse geöffnet, wenn man nicht empfänglich für Input von außen ist?
Interessierte können sich für die kommenden Tage ein Festivalticket kaufen, wenn sie bei einer Diskussion anwesend sein möchten. Wenn schon die (kostenlose) Einführungsveranstaltung so schlecht besucht ist, wer soll dann überhaupt noch an den kostenpflichtigen Programmen teilnehmen?

Für die geladenen Gäste jedenfalls wurden keine Kosten und Mühen gescheut.
Es gibt namhafte Sponsoren aus der Wirtschaft. Drei Shuttlebusse von VW fahren die Gäste bei Bedarf den 10min. Fußweg von einer Veranstaltung zur anderen. Es gibt freien Sekt. Das Kultursymposium in Weimar zeigt sich von seiner schönsten Seite.

Ob wohl jemand den großen, grauen Sprinter aus Polen bemerkt hat, in den das Filmteam sein Equipment wuchtet? Gibt es in Weimar keine Videografen? denke ich, während ich die “Aftershow” Party ohne ein einziges Gespräch verlasse.
Vielleicht wird ja die kommenden Tage mehr Raum für zivilgesellschaftliche Partizipation da sein – ich habe aber die Lust verloren, es persönlich herauszufinden.

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