F*ck Culture. Soloselbstständig? Pech gehabt.

In Zitrone beißen

Kennt ihr diese Zahlen?

  • 2,2 Mio: das ist die Anzahl der in Deutschland lebenden Soloselbstständigen (im Vergleich dazu: ca. 900.000 Arbeitnehmer in der hochgelobten Automobilbranche)
  • > 1 Mio: das ist die Anzahl an in Existenznöte geratenen Soloselbstständigen in Deutschland (im Vergleich: 16% der abhängig Beschäftigten befinden sich aktuell in Kurzarbeit, Zahl sinkt stetig)
  • > 100 Mrd.: Beitrag der Kulturbranche zum jährlichen Bruttosozialprodukt (der 6. größte Wirtschaftszweig Deutschlands)
  • 10 Mrd. €: das ist die Summe, die die Bundesregierung für Rüstungsausgaben im Konjunkturpaket vorsieht
  • 9 Mrd. €: das ist die Summe, mit der die Bundesregierung die Rettung der Lufthansa unterstützt
  • 1 Mrd. €: das ist die Summe, die dem Erhalt unserer Kulturlandschaft beitragen soll (für einen Kulturschaffenden heißt das bisher konkret: einmalig 9000€ Soforthilfe für Betriebsausgaben und die Grundsicherung – Harz4- für die Lebenskosten)
  • 1700: Kleinkunstbühnen in ganz Deutschland
  • 8,65 € / Stundenlohn: der Durchschnittslohn eines Soloselbstständigen

Was ich euch mit dieser lustigen Auflistung sagen möchte?

Während alle von Krise als Chance schwadronieren, von Kreativität und Erfolg faseln und platte Motivationssprüche à la “Aufgeben ist keine Option” von sich geben, gibt es da draußen über 1 Mio. Unternehmer/-innen, welche gerade um ihre Existenz bangen, an ihre Rücklagen für Altersvorsorge gehen mussten, Privatkredite aufnehmen (oder ihr Geschäft bereits aufgeben) mussten. Für diese Soloselbstständigen gibt es keine Lobby, keine Gewerkschaften und keine Sicherheiten. Sie sind komplett auf sich allein gestellt und können nur überleben, weil sie sich selbst ausbeuten.

Die Bundesregierung sieht keine weitere Notwendigkeit darin die Kulturbranche (und alle damit verbundenen Berufsgruppen) zu unterstützen, weil wir als Soloselbstständige in keine Versicherungen einzahlen und dementsprechend weder Arbeitgeber, noch Arbeitnehmer ist.

Was sind wir dann? “Erwerbstätige dritter Klasse”?

Während Flugzeuge abheben, Busse und Bahnen fast jeden Platz belegen und Menschenmengen sich auf Demonstrationen tummeln, hat das Theater, die Kleinkunstbühne und das “Freizeitangebot” geschlossen. Klar, wer braucht schon die Auseinandersetzung und den Diskurs, der in künstlerischer Form auf Bühnen ausgetragen wird? 😉

Während Bund und Länder sich gegenseitig die Schuld in die Schuhe schieben und die Bundesregierung mit der Rettung systemrelevanter Wirtschaftszweige beschäftigt ist, zeigen andere Länder wie es gemacht werden kann: das Finanzamt in England, Niederlande, Spanien, Belgien und der Schweiz erstatten anteilig den Umsatzverlust im Vergleich zum Vorjahr – und das Geld darf sogar für Lebenskosten aufgewendet werden. Es könnte alles so einfach sein – ist es aber hier in Deutschland nicht.

P.S.: Wer mir die Zahlen nicht abnimmt, darf sich gern durch die Statistiken wühlen und sich selbst ein Bild machen:

https://www.ifm-bonn.org/statistiken/selbststaendigefreie-berufe/selbststaendige#:~:text=Mit%20rund%202%2C2%20Millionen,%2C4%25%20aller%20Selbstständigen).
https://statistik.arbeitsagentur.de/DE/Navigation/Statistiken/Themen-im-Fokus/Corona/Corona-Nav.html
https://alarmstuferot.org/
https://www.vgsd.de/
https://www.destatis.de/DE/Themen/Arbeit/Arbeitsmarkt/Qualitaet-Arbeit/Dimension-4/solo-selbstaendige.html
https://www.bmwi.de/Redaktion/DE/Textsammlungen/Branchenfokus/Industrie/branchenfokus-automobilindustrie.html#:~:text=Die%20Zahl%20der%20Beschäftigten%20in,Arbeitsplätzen%20im%20Vergleich%20zum%20Vorjahr.
https://www.bmwi.de/Redaktion/DE/Artikel/Branchenfokus/Wirtschaft/branchenfokus-kultur-und-kreativwirtschaft.html

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