Der Versuch einer Definition
Zunächst einmal sei gesagt: künstlerisches Denken ist eine Haltung und Denkweise, die sich abstrahieren und von der Kunst loslösen lässt. Es ist die Fähigkeit an komplexe Sachverhalte iterativ, fast spielerisch heranzugehen. Es ist das Denken, welches überprüfbare, wissenschaftliche Betrachtungsweisen auf den Kopf stellt – das “um die Ecke denken” und freie Erfinden. Eine genaue Definition ist schwierig, da diese in ihrer Wissenschaftlichkeit der Versuch einer Entschlüsselung wäre, der das künstlerische Denken wieder in Muster zwänge, in welche dieses Denken nicht hingehört. Es hilft Künstlerisches Denken als Prozess zur kreativen Lösungsfindung zu verstehen.
Jeder kann lernen künstlerisch zu denken (“zu denken wie ein Künstler”)
Im Gegensatz zu analytisch-rationalem (linearen) Wirtschaftsdenken, ist künstlerisches Denken intuitiver, von Erfahrungen geleitet und intrinsisch motiviert.
Wer künstlerisch denkt, hat keine Angst vor Komplexität, Dynamik, Ungewissheit und Volatilität – im Gegenteil. Es ist eine Haltung, die geprägt ist von Neugier, Leidenschaft, Zuversicht und Resilienz. Alle Menschen verfügen über diese Eigenschaften, aber sie können sich erst entwickeln und ausprägen, wenn wir uns praxisbezogen mit persönlicher Entfaltung und Ausdruck auseinandersetzen. Es muss sich dabei nicht zwingend um künstlerische Schöpfung handeln, es reicht, wenn die Prozesse nicht-linear verlaufen. Auch ein Mathematiker, Architekt oder Chirurg kann künstlerisch denken, wenn er diese bestimmte Haltung und Perspektive einnimmt. (Arbeitsweise: Wahrnehmung, Reflexion, Spiel und Aufführung*)
Neue Herausforderungen erfordern neue Lösungen
In unserer komplexen, sich schnell wandelnden Gesellschaft, wachsen jeden Tag unsere Herausforderungen sowohl im beruflichen, wie auch gesellschaftlichen Kontext und damit verbunden wächst natürlich auch das Bedürfnis nach effizienten Lösungen. Ein gutes Wahrnehmungsvermögen, Reflexionsfähigkeit, Gestaltungskompetenz, sowie der Umgang mit Unplanbarkeit und Ambiguität gewinnen in unserer Arbeitswelt somit immer mehr an Bedeutung. Das interessante ist, dass dies alles Fähigkeiten sind, die im Künstlerischen zu Hause sind. Künstlerisches Denken schaut über den reinen Fachbereich hinaus und erlaubt eine interdisziplinäre Arbeitsweise. In unserer ökonomisch geprägten Welt wird künstlerisches Denken nach wie vor massiv unterschätzt, von Künstlern lässt sich eine Menge lernen, besonders wenn es darum geht innovativer und visionärer zu denken bzw. die Zukunft wirklich aktiv gestalten zu wollen. Kunst ist in der Lage Veränderungen anzustoßen, ganze Gesellschaften zu prägen und zum Umdenken anzuregen.
Was bedeutet das in Unternehmenskontexten konkret?
In immer wichtiger werdenden Unternehmensdifferenzierungen kann künstlerisches Denken helfen sich von der Konkurrenz abzuheben: mithilfe kreativer Handlungsweisen kann bewusst wachgerüttelt werden, die Organisation von altmodischen Mustern, Gewohnheiten, Vorgehensweisen und Prozeduren befreit werden und etwas Neues hervorkommen.
Kunst kann (sic!) die Unternehmenskommunikation verbessern. Sowohl intern, wie auch extern. Wenn über den Tellerrand hinaus geschaut wird und unkonventionelle Wege gegangen werden, dann lassen sich blinde Flecken aufspüren, sichtbar machen und beheben. Auf lange Sicht kann sich die Unternehmenskultur verbessern und ein besseres Arbeitsklima, sowie eine passende Außenkommunikation erreicht werden.
Die größte Stärke der Kunst liegt in ihrer experimentellen Entwicklung ohne konkrete Vorstellung über einen möglichen Ausgang, sowie in ihrer intrinsischen Motivation, welche die Berufung über das monetäre Auskommen stellt. Als risiko-aversives. zahlenorientiertes Unternehmen lassen sich daraus Resilienz, Krisenresistenz und Mut zu “unsicheren Wegen” lernen, Eigenschaften welche bei den eigenen Entscheidungen helfen können. Wer mit Künstlern zusammenarbeitet schöpft von frischen Perspektiven, nicht-linearen Handlungsketten und innovativer Neugierde.
Rettet künstlerisches Denken die Welt?
Natürlich wäre es absolut kontraproduktiv das “Künstlerdenken” zu idealisieren. Bedingungslose Offenheit der Kunst gegenüber ist, Überhöhung und Idealisierung künstlerischer Schaffensprozesse genauso zu kritisieren wie die Ignoranz und Unwissenheit, mit der man ihr Potential und den Mehrwert abtut.
Kunst und Wirtschaft können wunderbare Gegenspieler werden, wenn die Bereitschaft auf beiden Seiten gegeben ist und man sich die Flexibilität in Bezug auf potentielle Endergebnisse bewahrt. Man wird überrascht sein wie positiv Ergebnisse ausfallen können, wenn man ihnen ohne Erwartungshaltung begegnet.
*Weiterführende Infos:
https://creativecompany.ageofartists.de/blick-ins-buch/einleitung-das-zeitalter-der-kuenstler/
https://www.friedrich-verlag.de/bildung-plus/digitale-schule/schule-weiterentwickeln/es-gilt-das-feld-zu-bespielen-nicht-zu-entschluesseln/